H
Hellenyck
Guest
Line 60: | Line 60: |
[td]
â Previous revision
[/td][td]
[td]Ab den 1740er Jahren kam es in Halle â wie im ĂŒbrigen Reich â zu vermehrten GrĂŒndungen studentischer SozietĂ€ten, zunĂ€chst v.âŻa. [[Freimaurerloge|Freimaurerlogen]]. Bis zur Mitte des 18.âŻJh. traten u.a. [[Studentenorden|studentische Orden]] hinzu. Ausschlaggebend hierfĂŒr war v.âŻa. die Unzufriedenheit der Studenten mit der hierarchischen AbhĂ€ngigkeit ihrer Logen sowie dem Verlust an Mitbestimmung. Die neugegrĂŒndeten Orden stĂŒtzten sich hierbei auf eine alternative, auĂerhalb der Freimaurerei bestehende Arkankultur. WĂ€hrend die unabhĂ€ngigen studentischen Logen bis spĂ€testens 1770 verschwanden, erwiesen sich die Orden als wesentlich bestĂ€ndiger.<ref>Zur Entwicklung der frĂŒhen studentischen SozietĂ€ten unter besonderer BerĂŒcksichtigung von Halle sie Holger Zaunstöck: ''Das Milieu des Verdachts. Akademische Freiheit, Politikgestaltung und die Emergenz der Denunziation in UniversitĂ€tsstĂ€dten des 18. Jahrhunderts'', Berlin 2010, S. 113â30.</ref>[/td]Revision as of 12:16, 30 August 2025
[/td][td]Ab den 1740er Jahren kam es in Halle â wie im ĂŒbrigen Reich â zu vermehrten GrĂŒndungen studentischer SozietĂ€ten, zunĂ€chst v.âŻa. [[Freimaurerloge|Freimaurerlogen]]. Bis zur Mitte des 18.âŻJh. traten u.a. [[Studentenorden|studentische Orden]] hinzu. Ausschlaggebend hierfĂŒr war v.âŻa. die Unzufriedenheit der Studenten mit der hierarchischen AbhĂ€ngigkeit ihrer Logen sowie dem Verlust an Mitbestimmung. Die neugegrĂŒndeten Orden stĂŒtzten sich hierbei auf eine alternative, auĂerhalb der Freimaurerei bestehende Arkankultur. WĂ€hrend die unabhĂ€ngigen studentischen Logen bis spĂ€testens 1770 verschwanden, erwiesen sich die Orden als wesentlich bestĂ€ndiger.<ref>Zur Entwicklung der frĂŒhen studentischen SozietĂ€ten unter besonderer BerĂŒcksichtigung von Halle sie Holger Zaunstöck: ''Das Milieu des Verdachts. Akademische Freiheit, Politikgestaltung und die Emergenz der Denunziation in UniversitĂ€tsstĂ€dten des 18. Jahrhunderts'', Berlin 2010, S. 113â30.</ref>[/td] [td][/td]
[td][/td] [td]1777 trat der [[Konstantinistenorden|Konstantinistenorden]] in Halle auf und bildete einen Kristallisationspunkt weiterer studentischer ZusammenschlĂŒsse.<ref>Zu den Orden in Halle vgl. Fritz König: Aus zwei Jahrhunderten. Geschichte der Studentenschaft und des studentischen Korporationswesens auf der UniversitĂ€t Halle, Halle a.S. 1894, S. 83ff.</ref> Ein Konflikt im Orden 1789 oder 1790, bei dem westfĂ€lische Mitglieder des Konstantinistenordens ihre Landsleute systematisch benachteiligten, fĂŒhrte zur GrĂŒndung einer westfĂ€lischen Landsmannschaft, die von der heutigen Guestphalia als ihr Ursprung angesehen wird. Die neue Verbindung entwickelte eine klar strukturierte Organisation unter Leitung eines Seniors und eines Ausschusses, veranstaltete regelmĂ€Ăige ZusammenkĂŒnfte und verfolgte das Ziel, mittellose Mitglieder zu unterstĂŒtzen sowie Landsleute vom Eintritt in den Orden abzuhalten.<ref>Augustin, Christian Friedrich Bernhard Augustin: ''Bemerkungen eines Akademikers ĂŒber Halle und dessen Bewohner, in Briefen'', Germanien 1795, S. 229â34.</ref> GrĂŒndungsdokumente oder Mitgliederlisten dieser frĂŒhen Guestphalia sind nicht ĂŒberliefert;<ref>Hans Peter HĂŒmmer: ''Das âHallische KrĂ€nzchenâ. Ein Experiment des 18. Jahrhunderts''. In: ''Einst und Jetzt'' (EuJ). ''Jahrbuch des Vereins fĂŒr corpsstudentische Geschichtsforschung'', Bd. 35 (1989), S. 39â47, hier S. 40; Martin Dossmann: ''Mit den Farben GrĂŒn-WeiĂ-Schwarz. Zur Geschichte des Westphalenkartells [1799â1830]''. In: ''Einst und Jetzt'' (EuJ). ''Jahrbuch des Vereins fĂŒr corpsstudentische Geschichtsforschung'', Bd. 66 (2021), S. 73â88, hier S. 74.</ref> fĂŒr das GrĂŒndungsdatum des 8. Septembers fehlt jeder Beleg, es ist gĂ€nzlich spekulativ.<ref>Die Denkschrift I beruft sich bei der Datierung auf einen Westfaleneintrag im Stammbuch C. Hartwig (Regierungsbibliothek Weimar), den sie â ohne weiteren Nachweis â als Hinweis auf eine Rekonstituierung der westfĂ€lischen Landsmannschaft im Jahr 1792 interpretiert. Da kein authentisches GrĂŒndungsdatum vorlag, setzte man das Datum willkĂŒrlich drei Jahre zurĂŒck und erklĂ€rte den 8. September 1789 zum Stiftungsdatum; Ernst Hammer: ''Zur Geschichte und Vordatierung des Stiftungstages der Guestphalia zu Halle'', Bd. 1 [Denkschrift I],


[td]1777 trat der [[Konstantinistenorden|Konstantinistenorden]] in Halle auf und bildete einen Kristallisationspunkt weiterer studentischer ZusammenschlĂŒsse.<ref>Zu den Orden in Halle vgl. Fritz König: Aus zwei Jahrhunderten. Geschichte der Studentenschaft und des studentischen Korporationswesens auf der UniversitĂ€t Halle, Halle a.S. 1894, S. 83ff.</ref> Ein Konflikt im Orden 1789 oder 1790, bei dem westfĂ€lische Mitglieder des Konstantinistenordens ihre Landsleute systematisch benachteiligten, fĂŒhrte zur GrĂŒndung einer westfĂ€lischen Landsmannschaft, die vom heutigen Corps Guestphalia als ihr Ursprung angesehen wird. Die neue Verbindung entwickelte eine klar strukturierte Organisation unter Leitung eines Seniors und eines Ausschusses, veranstaltete regelmĂ€Ăige ZusammenkĂŒnfte und verfolgte das Ziel, mittellose Mitglieder zu unterstĂŒtzen sowie Landsleute vom Eintritt in den Orden abzuhalten.<ref>Augustin, Christian Friedrich Bernhard Augustin: ''Bemerkungen eines Akademikers ĂŒber Halle und dessen Bewohner, in Briefen'', Germanien 1795, S. 229â34.</ref> GrĂŒndungsdokumente oder Mitgliederlisten dieser frĂŒhen Guestphalia sind nicht ĂŒberliefert;<ref>Hans Peter HĂŒmmer: ''Das âHallische KrĂ€nzchenâ. Ein Experiment des 18. Jahrhunderts''. In: ''Einst und Jetzt'' (EuJ). ''Jahrbuch des Vereins fĂŒr corpsstudentische Geschichtsforschung'', Bd. 35 (1989), S. 39â47, hier S. 40; Martin Dossmann: ''Mit den Farben GrĂŒn-WeiĂ-Schwarz. Zur Geschichte des Westphalenkartells [1799â1830]''. In: ''Einst und Jetzt'' (EuJ). ''Jahrbuch des Vereins fĂŒr corpsstudentische Geschichtsforschung'', Bd. 66 (2021), S. 73â88, hier S. 74.</ref> fĂŒr das GrĂŒndungsdatum des 8. Septembers fehlt jeder Beleg, es ist gĂ€nzlich spekulativ.<ref>Die Denkschrift I beruft sich bei der Datierung auf einen Westfaleneintrag im Stammbuch C. Hartwig (Regierungsbibliothek Weimar), den sie â ohne weiteren Nachweis â als Hinweis auf eine Rekonstituierung der westfĂ€lischen Landsmannschaft im Jahr 1792 interpretiert. Da kein authentisches GrĂŒndungsdatum vorlag, setzte man das Datum willkĂŒrlich drei Jahre zurĂŒck und erklĂ€rte den 8. September 1789 zum Stiftungsdatum; Ernst Hammer: ''Zur Geschichte und Vordatierung des Stiftungstages der Guestphalia zu Halle'', Bd. 1 [Denkschrift I],


[td][/td] [td]In den Jahren nach 1789/90 kam es in Halle zu mehreren NeugrĂŒndungen und Auflösungen lose organisierter westfĂ€lischer KrĂ€nzchen mit landsmannschaftlichem Charakter. Einige dieser ZusammenschlĂŒsse pflegten Kontakte zu anderen westfĂ€lischen Landsmannschaften und waren Mitglieder des 1799 gegrĂŒndeten [[Westfalenkartell|Westfalenkartells]]. 1806 erfolgte die Ausweisung sĂ€mtlicher Studenten aus Halle â ein schwerer Einschnitt, von dem sich die UniversitĂ€t auch nach der Wiederaufnahme des Lehrbetriebs nur langsam und unter MĂŒhen erholte. 1813 lösten sich die Landsmannschaften in Halle auf. Bereits im folgenden Jahr, 1814, konstituierte sich jedoch eine Teutonia in den preuĂischen Farben Schwarz-WeiĂ, die bis Februar 1817 Bestand hatte. Ihre Nachfolgerin war eine Allgemeine Burschenschaft, die zeitweise den Namen Guestphalia fĂŒhrte und sich dann Germania nannte. Diese wurde im Januar 1818 gegrĂŒndet, musste jedoch bereits am 14. Februar 1819 infolge behördlichen Drucks wieder aufgelöst werden.<ref>Zur frĂŒhen Hallenser Burschenschaftsgeschichte vgl. Harald Lönnecker: ''Die Mitglieder der Halleschen Burschenschaft 1814âca. 1850''. In: ''200 Jahre burschenschaftliche Geschichte. Von Friedrich Ludwig Jahn zum Linzer Burschenschafterturm, AusgewĂ€hlte Darstellungen und Quellen'', Heidelberg 2008, S. 82â311, hier S. 82â84.</ref> Noch am selben Tag wurde eine Guestphalia als landsmannschaftliche Deckorganisation neu gestiftet. Diese verstand sich in ideeller wie personeller KontinuitĂ€t zur Burschenschaft und trat gemeinsam mit Marchia und Pomerania in einen Senioren-Convent ein.<ref>Zum Themenkomplex vgl. insbes. Martin Dossmann: ''Mit den Farben GrĂŒn-WeiĂ-Schwarz. Zur Geschichte des Westphalenkartells [1799â1830]''. In: ''Einst und Jetzt'' (EuJ). ''Jahrbuch des Vereins fĂŒr corpsstudentische Geschichtsforschung'', Bd. 66 (2021), S. 73â88; sowie Hans Peter HĂŒmmer: ''Memorabilien, SprĂŒche und Liedzitate aus der Zeit des Guestphalen-Kartells Jena-Halle-Erlangen 1799â1809''. In: ''Die VortrĂ€ge der 79. Deutschen Studentenhistorikertagung Jena 2019 zugleich Festschrift anlĂ€sslich des 90. Geburtstages von Klaus Gerstein'', hrsg. v. Sebastian Sigler, MĂŒnchen 2020, S. 23â56.</ref> Diese Guestphalia musste sich jedoch schon 1820 wieder auflösen. Eine neuerliche Stiftung einer Guestphalia erfolgte 1825; sie war zwar formal landsmannschaftlich organisiert, wies aber bereits corpsstudentische Merkmale auf. Infolge fortgesetzter Repression, insbesondere nach dem Frankfurter Wachensturm von 1833, fĂŒhrte zunehmender Mitgliederschwund zur Suspension der Pomerania Anfang 1834. Auch die Guestphalia scheint zu diesem Zeitpunkt erloschen zu sein, da sie im SC-Comment des Sommersemesters nicht mehr aufgefĂŒhrt wird.<ref>Hans Peter HĂŒmmer: ''Stammbuch Carl Davidis (Landsmannschaft Guestphalia Halle 1828â1830).'' In: ''Einst und Jetzt'' (EuJ). ''Jahrbuch des Vereins fĂŒr corpsstudentische Geschichtsforschung'', Bd. 48 (2003) S. 153â80, hier S. 155â57.</ref>[/td]
[td]In den Jahren nach 1789/90 kam es in Halle zu mehreren NeugrĂŒndungen und Auflösungen lose organisierter westfĂ€lischer KrĂ€nzchen mit landsmannschaftlichem Charakter. Einige dieser ZusammenschlĂŒsse pflegten Kontakte zu anderen westfĂ€lischen Landsmannschaften und waren Mitglieder des 1799 gegrĂŒndeten [[Westfalenkartell|Westfalenkartells]]. 1806 erfolgte die Ausweisung sĂ€mtlicher Studenten aus Halle â ein schwerer Einschnitt, von dem sich die UniversitĂ€t auch nach der Wiederaufnahme des Lehrbetriebs nur langsam und unter MĂŒhen erholte. 1813 lösten sich die Landsmannschaften in Halle auf. Bereits im folgenden Jahr, 1814, konstituierte sich jedoch eine Teutonia in den preuĂischen Farben Schwarz-WeiĂ, die bis Februar 1817 Bestand hatte. Ihre Nachfolgerin war eine Allgemeine Burschenschaft, die zeitweise den Namen Guestphalia fĂŒhrte und sich dann Germania nannte. Diese wurde im Januar 1818 gegrĂŒndet, musste jedoch bereits am 14. Februar 1819 infolge behördlichen Drucks wieder aufgelöst werden.<ref>Zur frĂŒhen Hallenser Burschenschaftsgeschichte vgl. Harald Lönnecker: ''Die Mitglieder der Halleschen Burschenschaft 1814âca. 1850''. In: ''200 Jahre burschenschaftliche Geschichte. Von Friedrich Ludwig Jahn zum Linzer Burschenschafterturm, AusgewĂ€hlte Darstellungen und Quellen'', Heidelberg 2008, S. 82â311, hier S. 82â84.</ref> Noch am selben Tag wurde eine Guestphalia als landsmannschaftliche Deckorganisation neu gestiftet. Diese verstand sich in ideeller wie personeller KontinuitĂ€t zur Burschenschaft und trat gemeinsam mit Marchia und Pomerania in einen Senioren-Convent ein.<ref>Zum Themenkomplex vgl. insbes. Martin Dossmann: ''Mit den Farben GrĂŒn-WeiĂ-Schwarz. Zur Geschichte des Westphalenkartells [1799â1830]''. In: ''Einst und Jetzt'' (EuJ). ''Jahrbuch des Vereins fĂŒr corpsstudentische Geschichtsforschung'', Bd. 66 (2021), S. 73â88; sowie Hans Peter HĂŒmmer: ''Memorabilien, SprĂŒche und Liedzitate aus der Zeit des Guestphalen-Kartells Jena-Halle-Erlangen 1799â1809''. In: ''Die VortrĂ€ge der 79. Deutschen Studentenhistorikertagung Jena 2019 zugleich Festschrift anlĂ€sslich des 90. Geburtstages von Klaus Gerstein'', hrsg. v. Sebastian Sigler, MĂŒnchen 2020, S. 23â56.</ref> Diese Guestphalia musste sich jedoch schon 1820 wieder auflösen. Eine neuerliche Stiftung einer Guestphalia erfolgte 1825; sie war zwar formal landsmannschaftlich organisiert, wies aber bereits corpsstudentische Merkmale auf. Infolge fortgesetzter Repression, insbesondere nach dem Frankfurter Wachensturm von 1833, fĂŒhrte zunehmender Mitgliederschwund zur Suspension der Pomerania Anfang 1834. Auch die Guestphalia scheint zu diesem Zeitpunkt erloschen zu sein, da sie im SC-Comment des Sommersemesters nicht mehr aufgefĂŒhrt wird.<ref>Hans Peter HĂŒmmer: ''Stammbuch Carl Davidis (Landsmannschaft Guestphalia Halle 1828â1830).'' In: ''Einst und Jetzt'' (EuJ). ''Jahrbuch des Vereins fĂŒr corpsstudentische Geschichtsforschung'', Bd. 48 (2003) S. 153â80, hier S. 155â57.</ref>[/td]
Continue reading...